Man fühlt sich schon selbst fast wie ein Flugzeug – breitet die Arme aus ist kurz davor abzuheben. Vor dem Start stellte der Staat die Sicherheitskontrolle. Und so trifft man nach nur einem Piep beim Durchschreiten des grauen Türrahmens meist auf freundliches Sicherheitspersonal, das mit einem wie eine große Lupe aussehenden Metalldetektor um einen herumschwirrt. Die Manschettenknöpfe müssen abgelegt werden, die Beine werden nach etwaigen Waffen abgetastet und leichter Ärger kommt bei der Aufforderung auf, die Schuhe auszuziehen.

Für viele Menschen inzwischen dennoch ein Akt der Routine – zumindest am Flughafen. Taucht dieses Prozedere in abgewandelter, aber dennoch unverkennbarer Form in einem Hörsaal der Kieler Universität auf, sollte es jedoch stutzig machen.

Vor den Klausuren zu einer Einführungsvorlesung des Instituts für Klassische Altertumskunde wurden sowohl im ersten Prüfungszeitraum, als auch beim zweiten Termin im April Leibesvisitationen durchgeführt. Kieler Studenten der Geschichtswissenschaft mussten sich nicht nur abtasten lassen, sondern auch Wertgegenstände abgeben, Brötchen aufklappen und Taschentücher auseinanderfalten. Ein Dozent in tiefsitzender Angst vor Betrugsversuchen – vor gut versteckten Spickzetteln und internetfähigen Smartphones.

Warum dies erst mehrere Wochen später in der Öffentlichkeit zum Thema wurde, ist fraglich. Die ersten, die darüber berichteten, waren die Redakteure des Online Portals der Kieler Nachrichten Mitte April. Noch am selben Tag erreichte die betroffenen Studierenden eine E-Mail des verantwortlichen Professors: Er bedauere die „Irritationen“, die für einige durch die Leibesvisitationen entstanden seien und betonte, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, „sie in eine peinliche Situation zu bringen.“ Die persönliche Entschuldigung kam bei den meisten Studierenden gut an, für viele hatte sich die Sache damit erledigt.

Doch die Wellen schlugen höher: Auch dem Hamburger Abendblatt war der Vorfall einen längeren Artikel wert, im Deutschlandfunk wurde ein Beitrag gesendet, Die Welt ließ sich immerhin zu einer Randnotiz hinreißen.

Bei all dem Aufruhr, der sich daraufhin auch in den Universitätsgremien ausbreitete, ist zu betonen, dass es die Geschichtsstudenten keinesfalls unvorbereitet traf. Schon mehrere Wochen vor den Prüfungen hatte der Dozent seine Zuhörer immer wieder halb vorbereitend, halb warnend an genau diese anstehende Leibesvisitation erinnert. Ein Einspruch von Seiten der Studierendenschaft hätte also auch schon deutlich früher kommen und damit von vorne herein verhindernd wirken können. Die Betroffenen wissen in solchen Situationen aber häufig nicht, was sie gegen Willkür und Kontrollwahn tun können. Der Eine oder die Andere geht in einem solchen Moment vielleicht davon aus, dass die Drohungen nicht umgesetzt würden. Dem Deutschlandradio sagte eine Studentin dennoch: „Da haben einige sich schon im Vorfeld […] sehr drüber aufgeregt, also das ging schon durch die ganze Gruppe“.

Es war der AStA, der sich schließlich an die Presse wandte und somit dafür sorgte, dass der Vorfall öffentlich wurde. So kam die Debatte um die Kontrollen ins Rollen. Darauf erklärte der Pressesprecher der CAU gegenüber den Kieler Nachrichten, die Hochschulleitung lehne „Leibesvisitation und die Abnahme von Gegenständen […] entschieden ab.“ Gleichzeitig wurde auch eingeräumt, dass Kontrollen vorgeschrieben seien, die Art und Weise aber bisher im „Ermessen der Professoren“ gelegen hätte. Im Anschluss an diesen Vorfall habe die Hochschulleitung den Fakultäten umgehend Empfehlungen gegeben, berichtete das Hamburger Abendblatt. Der AStA erklärt auf seiner Internetseite: „Wir sehen inzwischen, nach anfänglicher Skepsis, eine notwendige Reform der Prüfungsorganisation und -durchführung in nicht allzu ferner Zeit.“ Weiterhin heißt es dort: „Von Seiten der Uni-Leitung werden Gespräche über Grundsätzliches in Sachen Prüfungen angeboten.“ Wir werden die Entwicklungen weiter begleiten und berichten, wenn die Uni einheitliche und verbindliche Regeln festlegen sollte.

Betroffenen Studierenden bleibt in der Regel zumindest immer die Möglichkeit sich an die zuständige Fachschaft oder den AStA zu wenden. Beide Einrichtungen setzen sich aus Studierenden zusammen. In besonders prekären Fällen steht es darüber hinaus auch jedem offen, auf eigene Kosten einen Anwalt hinzuzuziehen. Die Affäre demonstrierte nicht zuletzt, dass der ASTA die Interessen der Studierendenschaft durchaus wirkungsvoll in der Öffentlichkeit vertreten und manchmal mächtiger sein kann als einige es vielleicht erwartet hätten.

Eine Woche später kam schließlich eine offizielle Entschuldigung der Philosophischen Fakultät in einem brieflichen Schreiben des Dekans an alle von den Vorfällen Betroffenen. „Derartige Praktiken sind völlig inakzeptabel und die Fakultät wird dafür Sorge tragen, dass sich dies nicht wiederholt.“ Jeder, so hieß es, der von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wolle, habe die Option, „einen oder ggf. beide Prüfungsversuche annullieren zu können“ – Ein Angebot, dass viele doch noch versöhnt haben mag.

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Autor*in
Share.
Leave A Reply