Wenn man in Deutschland aufwächst, ist der Weg der Ausbildung meist derselbe: Grundschule, weiterführende Schule, oft Abitur, dann Ausbildung oder Studium. Immer mehr junge Erwachsene entscheiden sich mittlerweile für das Studieren, und haben dabei meist nicht nur Wissen, sondern auch die verlockenden Vorzüge des ‚Studentenlebens‘ im Fokus. Doch Studieren – und der Lebensstil der deutschen Studenten – ist in den wenigsten Ländern so selbstverständlich wie hier. Denn während sich die ersten Universitäten in Europa bereits seit dem 11. Jahrhundert etablieren konnten, besteht im westafrikanischen Benin die ältere von zwei Universitäten (die Université d’Abomey-Calavi) erst seit 1970.

Obwohl die Zahl der Studierenden dort jährlich wächst, ist es dort noch nicht üblich zu studieren. Und da sich das Bildungssystem derzeit immer schneller verändert, mangelt es in manchen Bereichen an Kapazitäten, zum Beispiel an Unterkünften für Studierende, erfahrenem Personal und Lehrmaterial. Zum Recherchieren muss man oft in die Bibliothek der jeweiligen Stadt, oder ins Internetcafé. Zudem liegen die Studiengebühren zwischen 300 und 700 Euro im Jahr, was nicht von jedem selbstverständlich aufgebracht werden kann. Durch die Förderung von Stipendiaten probiert der Staat bereits zu unterstützen, was oft aber mehr Nachteile für die Nichtprivilegierten schafft. Zudem muss nun eine Fakultät umziehen, da die Regierung das derzeitige Gelände beansprucht.

Studierende im Hörsaal. Foto: Marius Jürgensen
Studierende im Hörsaal.
Foto: Marius Jürgensen

Um den Bau des neuen Campus dieser Fakultät zu unterstützen, hat die deutschlandweite Studierendeninitiative ‚Weitblick‘ das Projekt „Uni baut Uni“ ins Leben gerufen. Durch finanziellen Beistand und Austausch auf Augenhöhe sollen nicht nur der Campus, sondern auch die Studierenden beider Länder gefördert werden. So wird zum Beispiel von Weitblick Kiel gerade über die Organisation zukünftiger Austauschprogramme nachgedacht, die allen hiesigen Studenten zugänglich wären. Die beninischen Studenten sind begeistert vom Einsatz der Initiative. Für Basile Houndegnon, Mitverantwortlicher für die Zusammenarbeit mit Weitblick in Benin, ist die studentische Zusammenarbeit ein großer Fortschritt. Es gäbe noch viel über das jeweils andere Land zu lernen, sagt er, nicht nur im Bereich Bildung, sondern auch auf politischer und kultureller Ebene. Er meint, es existieren noch zu viele Missverständnisse, dabei sei es doch so wichtig herauszufinden, wie die „andere Seite“ funktioniert.

Neue Perspektiven für beide Seiten werden auch vom DAAD durch Auslandssemester in Benin ermöglicht. Diese fordern zwar bei der Organisation heraus, da das dortige und das unsere Bachelor- und Master-System nicht vollständig abgeglichen sind, bereichern allerdings enorm durch die gemachten Erfahrungen. So geben Mitarbeiter des DAAD einen malerischen Einblick in den Studienalltag: „Die Université d’Abomey-Calavi nahe Cotonou in Benin ist eine gute Adresse für Austauschstudenten der Geografie und der Geisteswissenschaften. Der grüne und schattige Campus befindet sich etwas außerhalb der Stadt und bietet von günstigen Unterkünften über Verpflegung und Freizeitmöglichkeiten alles, was man im studentischen Alltag braucht.“

Denn obwohl in einem Land wie Benin keine deutschen Verhältnisse erwartet werden können, ist der Alltag ein ähnlicher. Ab 8 Uhr beginnen die Vorlesungen und Seminare, zu denen man zu Fuß, mit dem Rad, oder mit dem Motorradtaxi kommt. Letztere heißen dort Sim und kosten für eine Strecke von vier Kilometern umgerechnet 50 Cent. Nach den Vormittagsvorlesungen macht man sich in der Mittagspause entweder auf einen Mittagsschlaf nach Hause auf, isst etwas in der Nähe oder arbeitet auf dem Campus mit Kommilitonen an Uniaufgaben. Die Veranstaltungen sind meist Vorlesungen, die zwar etwas hierarchischer aufgebaut sind, jedoch genug Spielraum für Interaktion lassen. Eine Besonderheit an vielen Fakultäten sind die Praktika, die es in den meisten Fächern gibt und die teilweise ein ganzes Semester beanspruchen.

Als Ziel seines Studiums nennt Basile, sich einen Platz in der Gesellschaft zu erarbeiten. Dies bedeutet weniger Prestige, sondern vielmehr sich einen festen Lebensunterhalt zu sichern, denn allein 2.750.000 junge Leute in Benin sind arbeitslos. Außerdem haben er und viele andere junge Beniner viele Visionen für ihr Land und sehen die Universität also als Startort für deren Umsetzung. Doch Ehrgeiz hält natürlich nicht davon ab, auch mal mit Freunden in eine Bar zu gehen und zu tanzen – mit umwerfenden Hüftschwung und ansteckender Lebensfreude. Auch das Land wird gerne mal bereist. Denn was das angeht sind junge Menschen, egal welcher Nation, wohl sehr ähnlich. Und das allein ist schon Argument genug, anderen Kulturen mit Offenheit entgegenzugehen.

Wieso also nicht einmal über Erasmus hinaus denken und sich aufmachen zu Menschen einer anderen Kultur, in ein Studium, das erstaunen, herausfordern, bereichern und neue Perspektive schaffen kann?

Titelfoto: Marius Jürgensen

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

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