Uraufführung des RADAR.Instituts im Sportzentrum der CAU

„Herzlich Willkommen in der Hyperworld“, sagt eine als Stewardess gekleidete Frau und bietet uns zwei verschiedene Substanzen an. So beginnt die Uraufführung des Dokumentarstücks ‚Burn out – Dope in‘ des RADAR. Instituts, einer Kooperation des Theaters Kiel und der freien Theatergruppe Lunatiks Produktion aus Berlin. Diese bieten ihr neues Stück seit dem 06.Mai 2014 nicht wie gewohnt auf einer normalen Theaterbühne an, sondern im Sportzentrum der CAU.

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In der Hyperworld ist so manches anders. Foto: Olaf Struck

Nach der kurzen Matrix-ähnlichen Begrüßung werden wir in einige Details eingewiesen. Wir bekommen für die ersten 20 bis 30 Minuten ein Audiogerät mit Kopfhörern und einen Wegweiser ausgehändigt. Dieser begleitet uns durch mehrere Stationen. Die jeweiligen Stationen sind von den Zuschauertribünen aus zu beobachten. Jede Station erzählt eine Geschichte und passend dazu schauen wir auf die verschiedensten Handlungen. Es beginnt eine Entdeckungsreise in eine noch nie zuvor gesehene Welt. Wir sehen unter anderem turnende junge Frauen, Männer, die gerade nach einem Wagenrennen in Rom ihr Schwert säubern oder eine Frau mit einem hautfarbenenen dünnen, strumpfhosen- ähnlichen Anzug überzogen. Wirre Gestalten und wirre Geschichten lassen uns, die Zuschauer, in eine chaotische Welt hineinblicken. Die lauten Geräusche der noch stattfindenden Sportkurse des Sportforums erzeugen eine weitere verwirrende, aber dennoch sportgetreue Umgebung. Wir haben das Gefühl, uns in einer völlig anderen Welt zu befinden – in der Hyperworld.

Foto: Olaf Struck
Foto: Olaf Struck

Die kurze Einführung ist abgeschlossen und wir, als immer wieder genannte Vertragspartner der Hyperworld, werden nun von den Stewardessen in Gruppen aufgeteilt. Alles ähnelt einer erfolgreich ausgeklügelten Verkaufsstrategie. Sie führen uns durch die Sporthalle, Umkleidekabinen, Duschen, Schwimmbecken, sogar durch den dunklen Keller. Zuerst aber werden wir gemeinsam in einen Raum gebracht, wo die Schauspieler verschiedene Geschichten erzählen. Der erste Eindruck davon ist und bleibt verwirrend. Jede Person hat besondere sportliche und sprachliche Merkmale, die sich ständig im Geschehen wiederholen. Danach werden wir in weitere Räume geführt. Davor halten wir kurz an und die Stewardess erzählt uns in kurzen Sätzen, um welche Produktionsstätte es sich gerade handelt und was wir zu beachten haben. Alles um uns wirkt kalt und mechanisch. Wir gehen durch die Duschen zur Schwimmhalle. Hier sehen wir einen Taucher im Wasser, der rote Luftballons abschneidet und an die Oberfläche kommen lässt. Durch eine Kamera und eine Leinwand können wir seine Bewegungen und Handlungen verfolgen. Er hält abwechselnd ein Schild mit der Aufschrift „Eigenblutdoping“ in die Kamera und wiederholt seine Handlungen fortlaufend.

Foto Olaf Struck
Foto Olaf Struck

Insgesamt werden wir durch verschiedene Produktionsstätten für Körpereinheiten geführt. Wir sollen begeistert werden von der Vielfalt der Möglichkeiten. Doch nach den verschiedensten Eindrücken, die wir gewinnen, müssen auch wir an unserem Aufnahmefähigkeit zerren. Es sind dann doch zu viele Informationen und Eindrücke über diese lange Dauer hinweg. Ein kleiner Störenfried in einem Clowns-Kostüm bringt uns dann wieder zurück ins Geschehen und versucht uns ständig von den Körpereinheiten abzuraten. „Wir werden sterben, wir werden sterben“, wiederholt er ständig. Wir ignorieren ihn. Nach den verschiedenen Einführungen in die Produktionsstätten, versammeln wir uns alle schlussendlich in einem großen Raum. Es werden dort alle ausgewählten Körpereinheiten gezeigt. Man bedankt sich bei uns und hofft, dass wir zum Kauf von Körpereinheiten bereit sind. Das Dokumentarstück des RADAR.Instituts versucht der immer weiter nach Erfolg strebenden Gesellschaft zu zeigen, wie schnell sich aus Druck Zwang entwickeln kann. Dabei sind natürlich leistungssteigernde Mittel von großer Bedeutung. Es zeigt, wie schnell man Doping verfallen kann und wie gefährlich es erst wird, wenn ein Mensch komplett die Kontrolle über sich selbst verliert. Es zeigt uns die Grenzen des Leistungssportes und vor allem unsere eigenen auf.

Foto: Olaf Struck
Foto: Olaf Struck

Dieses zweijährige Projekt basiert auf zahlreichen Gesprächen nicht zuletzt mit Profi- Sportlern und Trainern. Es versucht, die Sportwelt in ihren zahlreichen Facetten darzustellen. Vom Anfang der Begeisterung bis zu den eigenen Grenzen und denen des Leistungssportes. Diese werden metaphorisch und schauspielerisch sehr gut umgesetzt. Auch in der bildlichen Umsetzung zeigen die Künstler Kreativität. „Doping heißt, du spielst mit deinen Genen“, ist die Hauptaussage des Stückes. Es fordert auf, uns Gedanken darüber zu machen, ob es sich wirklich lohnt, den eigenen Körper für den Erfolg und den Sport zu manipulieren. Ein außergewöhnliches, verwirrendes, aber dennoch interessantes Stück des Theaters Kiel, welches mit einem bequemen Schuhwerk und vielleicht nicht gerade in einem Abendkleid auf jeden Fall einen Besuch wert ist.

Anzeigefoto: Olaf Struck

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